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back... down... Der die Götter vom Himmel holt

 Castor-Transporte rollen. Aber nicht nur nach Gorleben. Vielleicht schafft es sogar einer nach N. Y. vor die UNO, bestückt mit Tausenden von Briefen. Armin Kölbli ist guter Dinge.


Wie dachten wohl die alten Kimmerier und Skythen? Blöde Frage. Denn niemals werden Archäologen sie befriedigend beantworten können. Um solche Schmach den zukünftigen Archäologengenerationen und wissbegierigen grünen Marsmenschen zu ersparen, wird "Weltkulturerbe" ins All geschickt oder in Grundsteine einbetoniert. Nicht genug, meint Armin Kölbli - und gibt in seinen Betoneiern (3.33 x 2.34m) Herrn und Frau Jedermann eine eigene Stimme. Etwa zur selben Zeit als Jochen Gerz - und der ist mittlerweile toprenommiert - anfing, Volkes Wort auf Säulen und Platten einzuritzen, plante Kölbli, Briefe mit ausformulierten Zukunftshoffnungen und -ängsten in Original-Castorbehälter für leichtradioaktiven Müll zu verschließen. Mittlerweile wurden zwei dieser Behälter einbetoniert in Form symbolträchtiger Eier (Ostern, polynesisches Weltei, peruanische Grabbeigabe, Ü-Eier von Kinderschokolade, europäisches Frühstücksritual...) und mit der Auflage versehen, sie erst in 1.000 Jahren zu öffnen. Schon mehrmals berichteten wir über "Klingelingeling, der Eiermann kommt".

Projekte können gelingen, sie können scheiter, was soll's. Zu dem Zeitpunkt spukte ihm schon das Ei-Projekt durch den Kopf. Ei 1 steht seit 1991 in Bremervörde, Ei 2 wurde am 26.4.2000, also dem 14. Jahrestag des Tschernobyl-Desasters, am Rand der 30km breiten Todeszone installiert. Man kann sich wohl nur schwer vorstellen, welcher Verhandlungsmarathon mit schwerfälligen ukrainischen Beamten der langen, teuren LKW-Reise vorausging. Für Kölbli ist derlei Organisations-Trara irgendwie Teil des Kunstwerks. Denn mit diesem "Gang durch alle Instanzen" kann er zeigen, wieviel ein einziger Mensch zu bewirken imstande ist, wenn er nur hartnäckig am Ball bleibt.

So empfindet er Vieles in der aktuellen Kunst als "kraftlos". Zumindest dann, wenn sie sich nicht aus der sicheren Geborgenheit der Museen herauswagt. Wen er dagegen nicht schon alles neben Hillu Schröder für Ovum gewinnen konnte! BetonMarketing Nord sponserte den Beton, die Klöckner Werke bauten den Eierbecher aus Stahl und plazierten einen 3-seitigen Bericht über das Projekt als Aufmacher in die Klöckner-Hauszeitung "blickpunkt". Und sogar das spröde Land Bremen wird sich (mutmaßlich) mit 2000 Mark an den Transportkosten beteiligen. Wesentlicher Sinn von Kölblis Projekten ist es denn auch, dass sie Einspruch erheben gegen jenes Machbarkeitsargument, mit dem so viele schöne Dinge plattgemacht werden.

back... down... back to top of page... Da "Ovum III" letzte Woche vom EXPO-Gelände (dort verweilte es seit dem 10.8.2000) zum EU-Rat in Straßburg transportiert wurde, wenden wir uns noch einmal dem 42-jährigen Buten-Bremer zu. Was ist das für ein Mensch, der weder Ausstellung-Credits noch Besprechungen in Kunstzeitschriften vorzuweisen hat und dennoch eine Hiltrud Schröder für die Schirmherrschaft über das Ovum III-Projekt gewinnen kann, der mit der zähflüssigen EU-Bürokratie fertig wird und gute Chancen hat, demnächst den 5.000 Mark teuren Transport des Eis nach Prictina hinzukriegen, inklusive der komplizierten Grenzabwicklung und Plazierungs-Genehmigung?

Ad ovum: Die Vermischung von Wahnwitz und Organisationstalent beginnt schon in Durmersheim, 50 km entfernt von Karlsruhe, 10.000 Einwohner, FC Phönix Durmersheim 06 in der Fußballverbandsliga. Dort grätschte Kölbli 1978 im rechten Mittelfeld. 100 Mark gab's pro Spiel. Um ihn dem badischen Fußball zu erhalten, gewann man ihn für eine Banklehre vor Ort. "In solchen Dörfern ist ein Bankkaufmann so angesehen wie der Pfarrer. Er kennt zwar nicht die Beichtgeheimnisse, aber dafür die Kontostände."

Eine wahre Herausforderung an den zornigen Gott des Möglichen ist das Projekt eines Künstlersymposions in Tschernobyl. Tschernobyl ist für Kölbli ein "mythischer Ort, fast wie Stonhenge". Aus diesem Symbol der menschlichen Hybris müsste doch eigentlich "eine neue Kraft zu schöpfen" sein, denkt sich Kölbli - und lädt dazu ein, nicht irgendwelche Kunsties, sondern - wenn schon denn schon - die zehn KunstfürstInnen, die im Listing des Wirtschaftsmagazins Capital ganz oben stehen. Schließlich ist dieses Kunstranking auch eine Art Hybris. Christo hat leider schon abgesagt, "aber sehr höflich". Außerdem möchte Kölbli mit Sponsorenhilfe einen zu Löschzwecken umgerüsteten Leopard-Panzer in die verseuchte Region bringen. Experten warnen nämlich vor den verheerenden Folgen eines Waldbrandes in Reaktornähe.

Auch mit Ovum III hat Kölbli noch Großes vor. Damit die Menschheit um 3001 nicht nur deutsche Leitstimmen zu hören kriegt, soll das Ei diverse Orte bereisen, die zu Inkunabeln des Grauens und der Hoffnung geworden sind. Nach Straßburg und Prictina sind als Zwischenstationen geplant: Jerusalem, Amazonas, Korea, Johannesburg, Teheran, Havanna, Tokio. "Für manchen mag das etwas Biblisches haben", meint Kölbli fast ein bisschen selbstkritisch. An Sylvester 2001 soll das Ziel erreicht sein: Der UNO-Rat in New York. Genehmigungen liegen noch nicht vor, sind aber in Arbeit. Größer gehts nicht mehr, deshalb wird sich 

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Und er lernt, wie man Kredite auftut - was Kölbli nicht immer von Nutzen sein sollte. Anzug war natürlich Pflicht. Auf dem Weg zur Arbeit aber bevorzugte er Lederjacke, passend zum Knattersound der Yamaha 500XT. So nebenbei trat er auf als Sänger seiner Deutschrockband namens "Hergotzak", zum Beispiel mitten im Supermarkt gleich neben der Kirche. Zur optischen Aufhellung stellte er ein nacktes Pärchen auf die Bühne, das sich "gegenseitig mit Blut beschmiert und lauter so Mist": eine Art Otto Mühl vom Lande. Bald aber ging er zum Studium des Wirtschaftingenieurwesens nach Karlsruhe. Eigentlich aber träumte er von einem Dasein als Filmemacher. Deshalb zog er nach Erwerb sämtlicher Scheine, aber noch vor der Diplomarbeit nach Bremen. Dort nämlich hatte er 1988 einen der heißest begehrten Plätze für eine 2,5-jährige Ausbildung bei Radio Bremen zum TV-Aufnahmeleiter ergattert.

1989 kam es zu einem kurzen Intermezzo in Durmersheim. Kölbli besorgte sich einen Kredit über 150.000 Mark, setzte nicht weniger als fünf Bühnen ins Becken des Dorf-Schwimmbads, färbte das Wasser blutrot, buchte über 20 Bands und nannte das ganze "Karneval der Träume". Beachtliche 5.000 Leute kamen. Ganz zum Schluss um Mitternacht donnerte eine Roboterstimme aus den Lautsprechern und las aus der Johannesoffenbarung. Dann, Auftritt Kölblis Band. Sie spielte Songs mit Titeln wie "Tanz, mein Gott!" und "Die Lösung". Die Anti-Kölbli-Fraktion des Dörflis pfiff gnadenlos, den ganzen Set hindurch. "Was habe ich damals gelitten. Aber es hatte auch etwas Karthartisches." Die Musiker zauderten schon, weiterzuspielen. "Dann hätte ich

Kölbli nach Ei3 anderen Dingen zuwenden.
Zum Beispiel dem Film. Geplant ist eine traurige Liebesgeschichte, in der ein Muttermal eine herausragende Rolle spielt. Spannend klingt auch das Projekt eines Collage-Krimis, in dem Kinder unterschiedlichste Dinge über sich ergehen lassen: mal werden sie entführt, mal rituell geopfert, mal vorm Hungertod gerettet - eine Paraphrase über die merkwürdige Gleichzeitigkeit von Mitleid, Gleichgültigkeit und Bosheit mit dem poetischen Titel "Wenn der Mond in unseren Schatten flieht". Außerdem "werde ich ein statement abgeben im Musikbereich". Im Kopf schon fertiggeschnitten ist ein Track, bei dem über eine groovende Celli-Linie das ganze Geräuschchaos des Dschungels zu hören ist, inklusive Baumsägen und umkrachenden Bäumen. Darüber eine fröhliche Stimme: "Don't destroy the jungle". Irgenwann aber wird Kölbli das Ballonprojekt wieder aufgreifen. Belastbar ist das Heliumschiff mit 140kg. Wenn man da Laserspiegel und Filmprojektionsmaschinen draufpackt, dann "kann man die Götter vom Himmel holen".

Der nächste echte Kölbli wird aber in Bremens Nobelrestaurant "Tafelhaus" stattfinden. Gewöhnlicherweise gibt es dort sonntags um 15 Uhr Chansons, Jazzballaden oder Kochrezepte zum Besten gegeben. Kölbli, dem scheinbar niemand etwas abschlagen kann, konnte nun den Besitzer für eine Art Gesamtkunstwerk gewinnen: eine Malerin wird ein Aktmodell malen. Dazu erklingt Strawinskys "Le Sacre du Printemps". Und Kölbli wird von den Erlebnissen seiner Tschernobyl-Reise erzählen: Die Chance, den Mann mal live kennenzulernen. bk

Wer einen Brief an die Nachwelt verfassen möchte, der 1000 Jahre vor der UNO in N.Y. lagert, schreibe an Ovum  III, 28165 Bremen, Postfach.
Aktmalerei+Erzählung im Tafelhaus, 1.April, 15h

back... down... up... alleine weitergespielt." Essen und Trinken gab's ziemlich billig, "denn es sollte nicht um Kommerz gehen." Tat es nicht. Tags darauf wachte Kölbli auf mit 50.000 Miesen.
Erfolgversprechender schien das "Ballonprojekt" zu sein. Ein Nato-Berater erzählte Kölbli von einem Luftschiff, das bis zu Windstärke 6 wie eine Eins am Himmel steht, absolut unverrückbar. Es wurde entwickelt für Bombenabwurfsversuche. Sofort kam die Idee, die militaristische Präzisionstechnologie "zu transformieren, quasi zu entARTen". Er holte den bekannten Bremer Geschäftsmann Dieter Gulik mit ins (Luft)Boot, der später das Cafe Jacobs niederwirtschaften sollte. Kölbli erwarb, Guliks Bürgschaft im Rücken, ein 21m langes Ballonschiff für etwa 250.000 Mark, trat in Kontakt mit Sat1 und RTL und ließ einen sogenannten "Gebrauchsmusterschutz" für Sport-übertragungen und Lasershows vom Ballon aus eintragen. Immerhin für drei Fußballspiele wurden Luftaufnahmen für jeweils 30.000 Mark vertickt. 1993 beim Spiel Werder - Bayern München schwenkte die Kamera in schönem, ruhigen Fluss vom Marktplatz übers Viertel zum Werder-Stadion und dazu schnurrte sanft die Stimme von Jörg Wontorra. Vorher aber musste - wir sind in Deutschland - ein TÜV-Gutachten her, das beweist, dass auch für den Fall, dass 45.000 Zuschauer gleichzeitig rauchen, der Ballon nicht in Turbulenzen gerät. Gulik ging mit seinen anderen Geschäften baden, behielt den Ballon ein und auf Kölbli fiel plötzlich die Bürgschaft.

Wer durch den Kauf von kleinen Ei-Teilen aus Stahl für 750 oder 900 $ den Transport von OvumIII sponsern möchte, wende sich an "AllAtOnce" (Herr Lewandowski) Tel.: 07231-280360

taz Bremen Nr. 6411 vom 31.3.2001, Seite 31, 139 TAZ-Bericht, bk

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